Kulinarik, Kultur und (Schlaf)Kojen unter dem Dach – Zu Gast im Alten Schlachthof, Brixen
Eine Woche Südtirol in diesen Zeiten. Dass wir so etwas (Schönes) in diesem Jahr noch erleben durften – ein Geschenk. Es waren Tage voller Licht, guter Luft, herrlicher Natur und feinster Kulinarik. Eindrücke, die uns während der nächsten Wochen gedanklich begleiten und helfen werden, durch den düsteren Coronawinter zu kommen. Lock- und Shutdowns weltweit, kurze Tage, die wir fast ausschließlich zu Hause verbringen werden und wenige bis gar keine Sozialkontakte, verheißen nichts Gutes für unser aller Seelenheil. Wir Menschen brauchen Gesellschaft, Freiheit, Ausgleich zum Alltag, Reisen, Inspiration und unsere Arbeit.
Die Kulturschaffenden, die Gastronomen, Hoteliers, die vielen kleinen Familienbetriebe und Soloselbständigen trifft diese Krise besonders hart. Im Frühjahr mussten sie, auch die Einzelhändler, wir alle, in den ersten Lockdown. Die meisten haben sich bis heute finanziell nicht erholen können. Und nun drohen erneut wochenlange Maßnahmen zur Eindämmung des Virus. Nicht weitsichtig, überlegt, lokal, mit Rücksicht und vor allem verhältnismäßig, sondern eher ein pauschaler Knockdown.
Während unserer Reise mit dem eigenen Auto, in Unterkünften und Gastronomiebetrieben mit wohl durchdachten Hygienekonzepten und genug Platz für den nötigen Abstand, Ausflügen in die Natur und Wandern auf dem Berg, fühlten wir uns immer sicher und gut geschützt. Maskentragen, Desinfektionsmittel, nur zu zweit in einer Gondel, höfliches Miteinander und Vorbeilassen auf etwas mehr frequentierten Spazierwegen, Plexiglasscheiben zwischen Restauranttischen – Vorsichtsmaßnahmen, die inzwischen selbstverständlich zum (Reise)Alltag gehören – mach(t)en Urlaub trotz Corona möglich. Auch das – vorbei.
»Es ist alles soooo traurig«, schrieb Lissi Tschöll, Inhaberin des Alten Schlachthofs in Brixen, vorgestern bei WhatsApp. Ich fragte sie, ob ich vielleicht ein oder zwei Food-Fotos von ihr geschickt bekommen könnte. Vor Ort habe ich zwar viele schöne Bilder gemacht, doch was mir immer schwerer fällt, ist das Fotografieren von Speisen und Köstlichkeiten, sobald sie serviert werden.
Lissi Tschöll eröffnete den Alten Schlachthof vor vier Jahren. Restaurant, Café, Bar, Bed & Breakfast, Kulturort mit vielen wechselnden Veranstaltungen und das Wohnzimmer Brixens. Direkt an der Eisack gelegen, DIE Location, Treffpunkt für Einheimische, für Touristen, Fahrradfahrer, die während ihrer Tour hier nächtigen, für Gäste auf der Durchreise nach Süden. Wer im Alten Schlachthof frühstücken oder zu Abend essen wollte, musste einen Tisch vorbestellen, denn die Terrasse und die Tische in der ehemaligen Schlachthalle waren heiß begehrt und immer voll besetzt.
Dann plötzlich der Corona-Frühling. Drei Monate Schließung, das 12-köpfige Team ohne Arbeit, eines der erfolgreichen Unternehmen, das durch die Coronamaßnahmen von heute auf morgen um die Existenz bangen musste.
»Es ist alles soooo traurig«. Die Worte klingen mir im Ohr und ich fühle Ohnmacht, Trauer und zum Teil Unverständnis. Lissi Tschöll und all' die anderen Gastgeber da draußen, haben die letzten Monate alles gegeben, um ihre Unternehmen coronasicher zu gestalten. Nun ist Südtirol wieder Risikogebiet. Restaurants und Bars müssen um 18.00 Uhr, vielleicht sogar bald ganz schließen, Touristen bleiben weg, Hotels beenden die Saison Wochen vor der Winterschließzeit.
Es tut mir in der Seele weh, zu sehen, wie Familienunternehmen an den Coronamaßnahmen sehenden Auges zu Grunde gehen können. Die Infiziertenzahlen schnellen zwar auch in Südtirol in die Höhe, doch im Verhältnis zu Einwohnerzahlen, Größe und Weite dieses traumhaften Landes, ist es nicht verhältnismäßig, den Aufenthalt in Apartments und Hotels als Spreaderereignis zu kommunizieren und damit faktisch zum Stillstand zu bringen.
Dieser Artikel und zwei weitere bald folgende Hotel-Features sollen (m)ein kleiner Beitrag sein, um Gastronomen und Hoteliers während der Krise zu unterstützen. Sie leisten Großartiges. Es wird hoffentlich bald wieder möglich sein zu reisen. Und bis dahin, erfreuen wir uns an den Fotos all' der wunderbaren Menschen und Reisziele, die darauf warten, von uns besucht zu werden.
Der Alte Schlachthof ist so ein Wohlfühlort, den ich Euch ans Herz legen möchte. Was Lissi Tschöll vor wenigen Jahren, zusammen mit ihrem Team und den Architekten Claudia Unterhauser und Jörn Hendrik Liebich auf die Beine gestellt hat, ist grandios. Ein leerstehendes Gebäude (ein ehemaliger Schlachthof von 1853) in das Wohnzimmer Brixens zu verwandeln, dazu gehören Mut, Power, Vision, Ideen, viel Kreativität und Vertrauen in die Zukunft. Es wurde ein Konzept entwickelt, das den Vorgaben des Denkmalschutzes gerecht und von der Gemeinde abgesegnet wurde. In nur drei Monaten Bauzeit entstanden das Restaurant in der alten Schlachthalle und sechs Mansardenzimmer zum Übernachten (B&B). Alles perfekt erdacht, gebaut und stilsicher umgesetzt. Unglaublich, dass sich unter den Original-Bodenplatten heute eine Fußbodenheizung befindet... »Frag' nicht, das war die Hölle«, erzählte mir Lissi beim Kaffee während unseres zweitägigen Aufenthalts im Alten Schlachthof.
Die Bauphase ist längst Geschichte. Heute ist der Alte Schlachthof der Treffpunkt für alle, die sich gerne zurück lehnen und genießen möchten, sagt Lissi. Gutes Essen aus regionalen Produkten, beste Biere und Weine, allein acht Südtiroler Ginsorten und ein Veneziano, der im Alten Schlachthof »Kult« ist – der Bio Rondo Aperitivo. Lissi legt Wert auf Qualität und das Unterstützen der lokalen Hersteller. So kommen der Weißwein und der Sekt aus dem Eisacktal, der Bio Gewürztraminer aus Brixen, der Bio Rondo aus Eppan.
Auch bei der Einrichtung des Alten Schlachthofs war es Lissi wichtig, dass der ortsansässige Schmied, der Tischler und Polsterer zum Möbelbau herangezogen wurden. Der Bartresen entstand übrigens aus den ehemaligen Schlachtbänken. Wer genau hinsieht, kann noch die Kerben der Messer erkennen...
Sechs gemütliche Mansardenzimmer unter dem Dach des geschichtsträchtigen Hauses stehen Gästen zum Übernachten (B&B) zur Verfügung. In der Schlafkoje, die über eine kleine Leiter zu erreichen ist, schläft sich's fantastisch. Die Dusche mit Zinkwanne steht mitten im Raum, umhüllt von einem Vorhang aus Leinen. Die sechs Zimmer um die bestehende Dach- und Balkenkonstruktion herum zu bauen – eine architektonische Meisterleistung.
Wer lieber in einer Ferienwohnung mit mehr Komfort nächtigen möchte, kann dies seit diesem Jahr in den zwei frisch sanierten und fein eingerichteten Stadtapartments gleich um die Ecke. Auch sehr schön und gemütlich. Zum Frühstück treffen sich die Gäste im »Wohnzimmer«. Das Frühstück (à la carte) schmeckt, wie auch alles andere, was in der Schlachthofküche kredenzt wird, vorzüglich.
Der Alte Schlachthof liegt mitten im Herzen von Brixen. Die Altstadt ist bezaubernd, der Fluss gleich vor der Tür und die Berge drum herum. Träumchen.
Liebe Lissi, halte(t) durch. Alles wird gut. Auch wenn es im Moment soooo traurig ist.
Alter Schlachthof Brixen, Schlachthausgasse 4 I-39042 Brixen, Südtirol, Tel: +39 327 362 1614
Geöffnet: Mo-Mi von 7.30-23.00 Uhr, Do-Sa von 7.30-24.00 Uhr, So von 8.00 bis 18.00 Uhr
Warme Küche: Mo-Sa von 11.00 bis 14.00 Uhr und 18.00 bis 21.30 Uhr, So von 8.00-14.00 Uhr Frühstücke und Mittagssnack
Frühstück täglich von 8.00 bis 11.00 Uhr
Komm vorbei und such' Dir dein Lieblingsplätzchen im Wohnzimmer von Brixen oder im Sommergarten am Eisackufer! Und wenn Du gar nicht wieder gehen magst, bleib einfach da. Die fünf Schlafkojen im Dachgeschoss machen es möglich